Geschichten
Ihr habt einiges erlebt auf dem Weg zum Kind?
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Hier kommen einige unserer Geschichten. Viel Spaß beim Lesen!
Ein Kinderwunsch, drei Wunschkinder
Ich glaube, ich kürze ab. Wir streichen 4 Jahre des Hoffens und Bangens aus unserer Erzählung und starten direkt bei dem Plan, nach Spanien zu gehen, um den Wunsch Wirklichkeit werden zu lassen.
Barcelona: Ich habe meiner Frau eine Eizelle gespendet. Die hat sie, befruchtet mit anonymem Spendersperma, eingesetzt bekommen. Alles andere als romantisch ist es in so einem OP-Saal, und doch war es irgendwie ergreifend, als wir über einen Bildschirm unseren kleinen Zellhaufen sehen durften – 6 Tage alt.
Dort, auf dem Computer, sahen wir das Resultat aus Monaten der Planung und Vorbereitung, aus vielen Flügen, Nächten in Hotels und Stress-Magenschmerzen.
Endlich hatte das Warten ein Ende, es war so weit! Und dann: doch wieder warten ... 2 Wochen, bis zum Test.
Das Gefühl, endlich einen positiven Test in Händen zu halten, war so unbeschreiblich. Ein Feuerwerk der Gefühle - nach so vielen Jahren, Nervenzusammenbrüchen, Tränen der Enttäuschung. Dann die Schwangerschaft: Auch hier lief es nicht nur rund. Wir retteten uns von Ultraschall zu Ultraschall. Wieder paarten sich Tränen und Glück. Wie nah doch Trauer und Freude beieinander liegen! Und endlich, nach 39 langen Wochen, war sie da, unsere Tochter - unsere Nummer 1 und unser ganzer Stolz. Sie war so klein, zart und süß. Wir waren sofort verliebt.
Unser Leben war perfekt und perfekter würde es nur noch mit einer Nummer 2 werden. Also wieder: planen, durchführen und dann die Enttäuschung. Bei meiner Frau hatte es in Spanien doch auch gleich beim ersten Mal geklappt. Wieso dann nicht auch bei mir? Wir hatten noch fünf Eisbärchen und die kleinen Embryos wurden wieder und wieder aufgetaut und eingesetzt. Spannung, Tränen, Flüge, Hotels - aus Wochen wurden Monate. Eine Fehlgeburt, eine OP, Kontrollen. Und dann das letzte tiefgefrorene Embryo, und wieder ein negativer Test.
Eigentlich waren wir so glücklich mit unserer wunderbaren, kleinen Tochter, und doch war da dieser Wunsch. Der Wunsch nach einer Nummer 2. Also habe ich nochmal Eizellen gesammelt. Jeder Monat, in dem die Voraussetzungen nicht perfekt waren, zog sich ewig hin. Dann endlich wieder ein Versuch, ein Flug, ein Hotel. Da war er wieder: unser kleiner Zellhaufen auf dem Bildschirm. Dort hatten wir nun schon so viele gesehen.
Zwei Wochen später der Test: ein kleines rosa Plus. Oh, was für ein glücklicher Tag. Es folgten zwei Wochen der Spannung bis zum ersten Ultraschall. Und dann die Überraschung: Unsere Nummer 2 ist eine Nummer 2 und eine Nummer 3 – das Embryo hatte sich geteilt. Wieder 38 Wochen mit Tiefs und Hochs und diesmal mit einer „großen“ kleinen Maus, die mit Freude dem Bauch beim Wachsen zuschaute.
38 Wochen sind so lang – eine Ewigkeit. Jede Sekunde dauert Jahre. Das ist jetzt alles schon 6 Monate her, und seit der Geburt verfliegen die Momente. Die Fotos erinnern an die glücklichsten Momente in unseren Leben. Wir sind so dankbar, genau euch bekommen zu haben. Ihr seid die allerbesten, perfektesten ehemaligen kleinen Zellhaufen der Welt!
Home-made Baby
Unser Sohn wird demnächst zwei Jahre alt, und wir sind sehr froh, dass er bei uns ist. Das war nämlich keine ganz leichte Geschichte ... Es war für uns beide nach unserem Kennenlernen sehr bald klar, dass wir miteinander ein Kind haben wollten. Es war auch klar, dass wir schnell "starten" mussten, denn die biologische Uhr tickte schon heftig. Als wir mit der Suche nach einem Mann begannen, der uns in unserem Kinderwunsch unterstützen würde, war es für uns erst einmal naheliegend, in unserem direkten Umfeld zu suchen.
Wir fragten einige - schwule, aber auch heterosexuelle - Freunde und nähere Bekannte, die jedoch alle aus verschiedenen Gründen unsicher waren bzw. ablehnten: zu jung, zu alt, zu viel Verantwortung, zu weit weg ... Deshalb war unser nächster Schritt, eine Anzeige im "Our Munich" aufzugeben und sehr gespannt auf die Resonanz zu warten - ob sich überhaupt jemand melden würde? Tatsächlich antworteten einige schwule Männer, für uns überraschend meistens gleich mit Foto, und mit fast allen trafen wir uns auch. Auf diese besondere Situation versuchten wir uns vorzubereiten und uns nochmals gemeinsam klar darüber zu werden, was wir wollten, worauf wir Wert legten: Welche Rolle sollten Alter, Beruf und Aussehen des Mannes spielen? Das Alter war uns schon wichtig, ansonsten waren wir uns einig, dass Sympathie und unser "Bauchgefühl" entscheidender wären als äußerliche Kriterien. Was wollten wir über den Betreffenden wissen (zu Themen wie Gesundheit, Sexualleben und Interessen), und wie direkt durften wir wohl fragen? Klar waren und sind unsere Vorstellungen von der "Familienkonstellation": Das Kind wächst bei uns auf und wird im Rahmen der Stiefkindadoption von der nicht-biologischen Mutter adoptiert. Es soll seinen biologischen Vater kennenlernen und die Möglichkeit eines wie auch immer sich gestaltenden Kontaktes haben, allerdings nicht mit festgelegten "Vaterzeiten" und auch ohne direkten Einfluss des biologischen Vaters auf die Erziehung oder Entscheidungen, die das Kind betreffen. Unsere Treffen mit den verschiedenen "Anwärtern" waren durchaus besondere Situationen, in denen wir uns mit wildfremden Männern über sehr private und intime Fragen austauschten. Beim ersten Treffen waren wir noch etwas befangen, bei den nächsten beiden fanden wir es spannend und teilweise sehr amüsant, das vierte und letzte war nur noch anstrengend. Sehr interessant waren auch die unterschiedlichen Vorstellungen und Beweggründe der Männer, leider waren sie nicht in jedem Fall kompatibel mit unseren eigenen Ideen. Einer suchte einen Erben, einer wollte gerne ein drittes Kind, einer wollte auf jeden Fall anwesender und mitentscheidender Vater werden, obwohl sein Beruf dies überhaupt nicht zuließ. Die Entscheidung fiel uns dann zum Glück nicht schwer: Es fand sich ein solide lebender, zuverlässiger, unkomplizierter und mit unseren Vorstellungen einverstandener Mann.
Jetzt stand der praktischen Umsetzung nichts mehr im Weg! Wir planten, die Insemination zu Hause durchzuführen, und verabredeten uns mit unserem Spender. Es gab nicht wenig Unsicherheit auf unserer Seite, wie wir dieses Treffen gestalten sollten. Auf jeden Fall ein gutes Essen, damit der Mann gestärkt seiner Aufgabe nachgehen konnte. Folgende Fragen beschäftigten uns sehr: Wo soll der Mann seiner Aufgabe nachgehen? Welches Gefäß ist angemessen, und soll leise Musik den Rahmen verschönern? Letztlich war es sehr unspektakulär - er ging mit einem Plastikbecher ins Bad. Nach getaner "Arbeit" verabschiedete er sich, und es folgte der für uns sehr angenehme Teil ... Nachdem dies allerdings etliche Male stattgefunden hatte, verlor sich die Romantik ein wenig, und wir hatten Sorge, dass unser potenzieller biologischer Vater vielleicht die Geduld verlieren würde, was aber zum Glück nicht der Fall war. Durch seine sehr regelmäßigen Besuche - zweimal pro Zyklus und meist verbunden mit einem gemeinsamen Essen - lernten wir uns zunehmend besser kennen, wurden uns vertrauter, und es entwickelte sich eine freundschaftliche Beziehung, die nach wie vor besteht. Zwischendurch starteten wir auch einen Versuch in einer gynäkologischen Spezialpraxis, da wir annahmen, dass unter den dortigen Bedingungen mit größerer Wahrscheinlichkeit eine Schwangerschaft eintreten würde. Doch auch dieser Versuch schlug fehl, sodass wir wieder zur sehr viel angenehmeren "Home-made"-Methode zurückkehrten. Alles in allem dauerte es, inklusive einer ersten kurzen Schwangerschaft, die nicht blieb, fast zwei Jahre, bis meine Frau schwanger wurde - inzwischen waren wir zu Expertinnen in fast allen Fragen von Zyklus, Eisprung und Befruchtung geworden, hatten aber auch begriffen, wie wenig wir letztlich eingreifen können in Vorgänge, die immer noch von der Natur bestimmt werden.
Unsere Geduld und Zuversicht war immer wieder dem Nullpunkt nahe, aber glücklicherweise nie bei beiden gleichzeitig! Und mit Beginn der Schwangerschaft verschwand auch die Anspannung: Es gab keine Komplikationen, die Geburt war ein außergewöhnliches und glückliches Erlebnis, und unser Sohn kam gesund und als ein wunderbares Geschenk zur Welt. Nach einem Dreivierteljahr war die Stiefkindadoption vollzogen, auch dieser Prozess verlief ziemlich glatt, und mit dem biologischen Vater unseres Sohnes besteht im Drei- bis Vier-Wochen-Turnus ein regelmäßiger Kontakt .
Der schwangere Cowboy
Von wegen, Hauptsache, du bist schwanger, der Rest kommt von allein! Ich musste nicht nur das Jetzt organisieren, sondern sogar ziemlich weit in die Zukunft denken. Jede Menge Papierkram für Elterngeld, Kindergeld, Geburtsklinikvorstellung, Anmeldung zur Kinderkrippe, Anmeldung zur Fruchtwasseruntersuchung … eine echte Herausforderung für jemanden wie mich, der es eigentlich gewohnt ist, in den Tag hineinzuleben.
Das mit der Krippe hätte ich besser schon vor der Zeugung gemacht, weil es ziemlich aussichtslos ist, in München einen Platz zu bekommen. Vor der Fruchtwasseruntersuchung hatte ich Bammel, weil das im Fernsehen und in den Büchern immer so furchtbar aussah. Auch die Risiken waren irgendwie schauerlich, aber in der Realität war das alles halb so schlimm. Der Eingriff an sich war der reinste Kindergeburtstag. Ich hab auf den Beamer gestarrt und gewartet, bis ich die Nadel sehe, die gleich in meine Gebärmutter sticht. Es war aber nichts zu sehen, und da sagte der Arzt auch schon: "So, das war's." Vom Einstich habe ich nichts gespürt, war aber drei Tage krank geschrieben dafür! Ich bin auch brav auf der Couch geblieben und hab mich ausgeruht. Beim Ultraschall hat der Arzt übrigens gesehen, dass es ein Bub wird! YESS! Ich würde von rosa Kleidung, Prinzessin Lillifee und Zöpfeflechten verschont bleiben!
Mittlerweile war es Mitte August, und ich war in der siebzehnten Schwangerschaftswoche. Jeder Vorsorgeuntersuchung fieberte ich entgegen - ob man wohl schon mehr sehen konnte? Die Wochen zogen sich jetzt. Von einem Bauch war noch nicht viel zu sehen, eigentlich gar nix. Der ließ wirklich auf sich warten. Ende Oktober konnte man dann schon eine leichte Rundung sehen, allerdings nur, wenn ich nackt war. Was dem Bauch aber weit voraus war, das war mein Busen. Der war schon innerhalb der ersten drei Monate von Körbchengröße B auf C angeschwollen. Ich hatte Heißhunger auf Äpfel und aß kiloweise davon. Sonst konnte ich Äpfel nie leiden, jetzt war es plötzlich mein Lieblingsobst. Dafür ekelte mir vor Fleisch, was ich vor der Schwangerschaft sehr gerne mochte. Irgendwann kam der Bauch dann doch zum Vorschein. Es wurde immer unangenehmer, Rad zu fahren, weil beim Runterbücken zum Lenker der Bauch im Weg war. Was meinen Bruder sofort auf die Idee brachte, einen Harley-Lenker an mein Mountainbike zu schweißen. Auch das viele Sitzen in der Arbeit war doof, und Rasieren war zum Blindflug geworden. Sport war ein Ding der Unmöglichkeit geworden, schon allein wegen des Busens. Außerdem wollte ich bei Fußball oder Inline-Hockey keine Verletzung riskieren. Die Schwangerschaft verlief weiterhin bilderbuchmäßig bis auf ein paar heftige Rückenschmerzen, die aber die Osteopathin meines Vertrauens schnell wegzauberte.
Die Schwangerschaftsgymnastik war eine willkommene Abwechslung, obwohl sehr gewöhnungsbedürftig für mich. Ich hätte mir nie träumen lassen, eines Tages mit zehn anderen schwangeren Frauen im Kreis auf Pezzibällen zu Entspannungsmusik herumzuhopsen oder Geburtsstellungen zu simulieren. Vor nicht allzu langer Zeit waren ja noch AC/DC, Luftgitarre und einarmiges Reißen in der Halbliterklasse meine Lieblingskür gewesen. Meine Tage in der Agentur waren jetzt gezählt.
Anfang Dezember war ich dann zu Hause und habe mich auf die Geburt vorbereitet. Was ich auf jeden Fall vermeiden wollte, war ein Dammriss. Vom Weihnachtsmann hatte ich mir eine Dehnungspumpe gewünscht, um meinen Damm schon mal an Durchmesser von zehn Zentimeter zu gewöhnen. Jeden Tag massierte ich meinen Damm mit Öl und weitete ihn danach mit der Dehnungspumpe - ganze vier Wochen lang. Mehr als acht Zentimeter habe ich nicht geschafft. Nach meiner Rechnung würden acht Zentimeter einem Kopfumfang von 25 Zentimetern entsprechen, und wenn das Baby so einen Eierkopf hatte wie ich, würde das wohl reichen. Ende Januar wurde ich dann immer aufgeregter.
Die Kliniktasche hatte ich schon gepackt. Meine Freundin Mone war meine "Jetzt geht's los"-Beauftragte. Sie traute sich schon gar nicht mehr zu trinken, falls sie mich auf einmal in die Klinik fahren müsste. Der 31.Januar verstrich allerdings ohne irgendwelche Anzeichen auf die Geburt. Meine Frauenärztin bestellte mich jetzt alle zwei Tage in die Praxis, am 4.Februar zum letzten Mal. Jetzt sollte ich in die Geburtsklinik gehen, falls die nächsten zwei Tage immer noch keine Wehen einsetzten. Am 6.Februar war es dann so weit: Ich hatte unheimliche Schmerzen in der Nierengegend. Jetzt hieß es den zeitlichen Abstand zwischen den Schmerzwellen messen. Der war noch über zehn Minuten. Die Schmerzen wurden allerdings heftiger, und der Abstand zwischen den Wehen war irgendwann nur noch fünf Minuten. Jetzt rief ich Mone an. Sie kam sofort, und wir fuhren mit Sack und Pack in die Frauenklinik. Dort wurde ich an den Wehenschreiber angeschlossen - der hat aber nix angezeigt. Mein Muttermunddurchmesser war nur einen Zentimeter! Und ich wurde wieder nach Hause geschickt. Ich hab's nicht verstanden, ich hatte doch solche Schmerzen! Tatsächlich ließen diese dann für den Rest des Tages nach. Sobald ich abends aber ins Bett ging, fingen die Wehen wieder an. Ich konnte nicht schlafen. Alle zehn Minuten eine Welle. Das ging den ganzen nächsten Tag so weiter. Spät abends habe ich es dann nicht mehr ausgehalten. Wieder fuhr ich mit Mone in die Klinik. Der Wehenschreiber zeigte nach wie vor nichts an, und der Muttermund hatte sich noch immer nicht weiter geöffnet. Ich bekam ein schmerzlinderndes Zäpfchen, und wir sind wieder heimgefahren.
Allmählich war ich am Verzweifeln. Ich hatte höllische Schmerzen und schon seit achtundvierzig Stunden nicht mehr geschlafen. Diese Nacht war die schlimmste. Ich habe mich gekrümmt vor Schmerzen und die Luft angehalten. Dann fing ich an zu bluten. Morgens um sechs rief ich Mone an und sagte: "So, jetzt fahren wir in die Klinik, und ich fahre auf gar keinen Fall mehr heim!" Ich war richtig grantig! Diesmal schlug der Wehenschreiber endlich aus. Na also, geht doch! Der Muttermund war vier Zentimeter offen, und ich durfte bleiben. Gott sei Dank.
Da kam eine Lernschwester, die ich lieber in einem anderen Kontext kennengelernt hätte, und fragte mit Piepsstimme: "Geht's mit den Schmerzen?" Und ich hab nur gesagt: "PDA, bitte!" Mein Kreißsaal war ganz klein und hatte nichts von all dem Equipment (Beißholz, Badewanne, Gebärhocker etc.), das wir im Geburtsvorbereitungskurs besprochen hatten. Vermutlich lag es daran, dass ich nach der PDA schmerzfrei bin ... Ich musste noch eine Dreiviertelstunde leiden und auf den Anästhesisten warten, der mir dann den erlösenden Schlauch in den Rücken steckte. Zwanzig Minuten später war ich schmerzfrei und verbrachte die nächsten neun Stunden ganz relaxed auf meinem Bett im Kreissaal, unterhalten von ein paar Freundinnen, während ich mir immer wieder eine Dosis Betäubung in den Rücken jagte.
Dann wurde es langsam ernst. Die Hebamme piekste meine Fruchtblase an, damit sie endlich platzte. Dann musste ich meine bequeme Liegestellung aufgeben, und mir wurde gesagt, jetzt wäre der Muttermund zehn Zentimeter auf und ich könne anfangen zu pressen. Das hab ich dann auch gemacht - halb auf der linken Seite liegend, die Beine angezogen, mit einer Hebamme davor. Mit den Händen hielt ich mich an zwei Griffen fest und stemmte mich dagegen. Auf die nächste Wehe warten - und dann pressen! Mein Kopf lief feuerrot an (das hab ich gespürt), und das Gerät neben mir, das meinen Kreislauf dokumentierte, begann zu piepsen. "Nicht in den Kopf pressen, sondern nach unten!", meinte die eine Hebamme. "Ich hab keine Ahnung wohin, ich spür nichts", sagte ich. "Zwicken Sie mich bitte mal!" Da hat sie mich gezwickt, und ich hatte immerhin die grobe Richtung. Warten auf die nächste Presswehe ... und pressen ... und pressen. Irgendwann telefonierte die Oberhebamme und sagte: "Herr Doktor, das Kind kommt!" Dann hab ich noch einmal gepresst, und der Doktor stürmte gerade zur Tür herein, als das Kind kam! Endlich! Luka wurde mir, so wie er war, auf die Brust gelegt. Ich war total fertig und zittrig, das Baby war total glitschig - ich konnte ihn kaum festhalten. Das haben die Hebammen wohl gemerkt und mir den Buben wieder vom Bauch genommen. In ein Handtuch gewickelt bekam ich ihn wenig später wieder. Jetzt war er schon griffiger. Nach einer Weile wurde er gewogen (3450g), gemessen (52 cm lang, Kopfumfang 37 cm) und angezogen.
Die Hebammenschülerin rückte mit einer Kamera an und machte ein Foto von uns. Irgendwann kam noch die Nachgeburt, die die anderen Anwesenden ganz interessiert begutachteten. Mein Damm hat übrigens gehalten, trotz des Kopfumfangs! YES! Die Dehnaktion hatte sich also gelohnt. Danke, lieber Weihnachtsmann!
Kinderwunsch eines Cowboys
Ticktack, Ticktack … immer lauter tickte meine biologische Uhr, je weiter ich auf die Vierzig zuging, die fiktive Grenze fürs Kinderkriegen. Eine ständige innere Unruhe umgab mich, und ich begann immer ernsthafter darüber nachzudenken, wie ich zu einem Kind kommen könnte. Eine Freundin hatte ich nicht und auch nicht die Intention, krampfhaft eine dazu zu machen, um sie dann bei der ganzen Kinderaktion womöglich wieder zu verlieren, weil es ihr zu stressig werden könnte. Und irgendwann dachte ich mir: Allein ist die Frau, mutig und stark!
Eine gewisse Zeit ließ sich der Kinderwunsch übrigens noch einigermaßen mit Bier und Jack-Cola unterdrücken. Jedes Wochenende voll wie Harry, lag ich auf den Böden sämtlicher Tanzflächen, die Luftgitarre fest im Anschlag, was meist den durchgestyltesten Discohaserln die Show stahl. Ein wahrer Cowboy halt. Ich war kein unbeschriebenes Blatt mehr, was den Versuch angeht, schwanger zu werden. Zahllose männliche Freunde, Kollegen und Bekannte hatte ich gefragt, die immer zunächst begeistert waren, sich aber dann durch das Scheunentor, dass sie sich offen hielten, verdünnisierten. Sie zogen im wahrsten Sinne des Wortes den Schwanz ein. Da die Befruchtungsgeschichte auf diesem Weg nicht funktionieren wollte, war der nächste Plan, es einfach mit Sex ohne Gummi zu probieren. Aber alleine an einem Montagabend im Nachtcafé abzuhängen (man kann den Eisprung schließlich nicht aufs Wochenende verschieben), einen Typen zu finden, der einem zusagt, einigermaßen nüchtern zu bleiben, Sex um die Ecke zu haben und dann auch noch leer auszugehen – all das war reichlich nervig.
Über die Freundin einer Freundin habe ich die Nummer einer Freundin bekommen, die bei einem Arzt gleich in der Nähe ihren Kinderwunsch stillen konnte. Ein bisschen unsicher rief ich bei selbigem an. Schließlich wusste ich nicht genau, wie man dort reagieren würde. Als ich mich vortastete und erklärte, ich würde mich für die Kinderwunschbehandlung interessieren, fragte mich die Sprechstundenhilfe am Telefon wie aus der Pistole geschossen: "Fremdsperma oder Eigensperma?" Ich hatte mir extra eine Freundin organisiert, die mich begleiten sollte, und zwar als meine Partnerin, damit der Arzt kein schlechtes Gewissen hatte, eine Singlefrau zu inseminieren. Deshalb sagte ich: "Ich komme mit meiner Freundin." Die Stimme am anderen Ende meinte: "Also Fremdsperma." Ich war überrascht, wie selbstverständlich das lief. Dann ging alles ziemlich schnell. Es gab einen Beratungstermin. Ein paar rechtliche Dinge waren noch zu klären. Eine Sitzung bei einer Psychologin. Die erste Insemination. Vierhundert Euro plus Mehrwertsteuer pro Versuch.
Ich hielt die ganze Aktion geheim, was mir als altem Tratschhaferl unheimlich schwerfiel. Aber ich wollte keinen Erfolgsdruck. Die komischen Blicke auf meine Limo (so was hatte ich zuletzt mit zwölf getrunken) und die blöden Fragen, warum ich schon heimgehen würde, haben mich schon genug genervt. Besonders schlimm war es in der Arbeit, wo praktisch jeden Tag eine Flasche Prosecco geköpft wird. Und ich war schließlich nicht gerade diejenige, die man zum Trinken überreden musste. Leider hat die Insemination beim ersten Mal nicht geklappt, obwohl ich nach der Behandlung total vorsichtig herumgelaufen bin, damit diese blöde Kappe ja nicht rausfiel. Das hätte ich mir sparen können! Als ich am Abend an der Nylonschnur zog, um die Kappe von meinem Muttermund zu entfernen, bin ich fast verzweifelt. Das Ding hat sich dermaßen festgesaugt, dass ich schon dachte, wenn ich jetzt noch fester ziehe, dann kommt die ganze Gebärmutter mit raus. Nach ein bisschen Tüfteln habe ich dann wohl im richtigen Winkel gezogen. Jedenfalls hatte ich das widerspenstige Ding schließlich in der Hand. Gott sei Dank! Die durchsichtige Kappe hatte fünfzig Euro gekostet und war angeblich wiederverwendbar. Ich sollte sie aufbewahren und im Falle des Falles beim nächsten Inseminationsversuch wieder mitbringen. Natürlich habe ich die Kappe aufgehoben, aber als ich sie einen Monat später für den zweiten Versuch brauchte, musste ich erst mal suchen, bis ich sie schließlich ganz verstaubt inmitten meines Schreibtischchaos fand. Ich beschloss, sie erst mal zu sterilisieren, und warf sie in den Wasserkocher. Tja, danach war das Ding nicht mehr rund. Es sah jetzt eher aus wie ein durchgekauter Bazooka-Joe-Kaugummi. Als ich sie dem Profibefruchter zeigte und mich kleinlaut erkundigte: "Geht die wohl noch mal?", schwieg er kurz und erinnerte mich ein bisschen ungehalten daran, dass er mir doch gesagt hätte, ich solle sie nur mit warmen Wasser abwaschen ... Versuch Nummer zwei hat leider auch nicht geklappt.
Zwei Monate umsonst kein Bier getrunken! Außerdem bin ich fast geplatzt vor Mitteilungsbedürfnis! Irgendwann fing ich an, ein paar Freundinnen, meinen Eltern und meinem Bruder von meinen Aktionen zu erzählen, weil ich mich die ganze Zeit überhaupt nicht schwanger fühlte (was ich auch nicht war). Die ganze Sache war für mich so was von irreal. Erst als ich anfing, davon zu erzählen, wurde das Vorhaben irgendwie präsent … und dann hat es ja auch geklappt. Beim dritten Versuch war ich schwanger! Zunächst hat es übrigens so ausgesehen, als hätte es wieder nicht hingehauen, weil ich ziemlich termingerecht meine Tage bekommen habe. Ich dachte: Scheiße!, bin auf eine Party gefahren und hab die Enttäuschung erst mal im Bier ertränkt. Am nächsten Tag reiste ich mit der Familie meines Bruders in den Urlaub nach Kroatien.
Meine Periode war ziemlich schwach, was mich ein bisschen stutzig machte. Vorsichtshalber packte ich einen Schwangerschaftstest ein. Ein paar Tage später wollte ich endlich wissen, was Sache war. Also hab ich abends um fünf den Test gemacht. Aber nix – nur ein rosa Strich. Enttäuschung machte sich breit. Als mein dreijähriger Neffe den in die Ecke gefeuerten Test eine halbe Stunde später mit den Worten "Is des a Lutscher?" noch mal ins Spiel brachte, war klar und deutlich ein zweiter rosa Balken zu sehen. Yess! Schwanger! Erst mal habe ich ein paar SMS rausgefeuert und dann den Konsum sämtlicher schädlicher Substanzen eingestellt, sprich: Ich habe meine Ernährung umgestellt von Bier und Fastfood auf Tee und Slowfood. Zurück in München, machte ich sofort einen Termin beim Inseminator aus, um die letzten Zweifel auszuräumen. Wenig später war ich stolze Besitzerin eines Mutterpasses. Der berechnete Geburtstermin war der 31.Januar 2009.
Die erste Hürde hatte ich genommen – und schon kam die nächste: die ersten drei Monate ohne Abgang überstehen. Die Zeit wollte einfach nicht vergehen. Ich fragte mich: Was mach ich nur, wenn es abgeht? Überall in meinem Bekanntenkreis gab es auf einmal Abgänge. In der Agentur konnte ich noch niemandem sagen, dass ich schwanger war – und das, wo meine Kollegen sonst alles von mir wissen: von der Frau, an der ich gerade dran bin, bis zu meiner Lieblingsstellung. Ich hatte keine Geheimnisse. Ende Juli, nach dem Frauenarztbesuch, bei dem alles positiv verlaufen war, stürmte ich endlich ins Büro meines Chefs. Das neueste Ultraschallbild hinter dem Rücken versteckt, sagte ich: "Du, ich muss dir was sagen, aber ich weiß nicht, wie, deshalb zeige ich dir dieses Foto ..." Weiter kam ich nicht, da sagte er schon mit einem Siegergrinsen: "Du bist schwanger!" Da hab ich erst mal doof geschaut, aber als ich ihn fragte: "Stimmt, aber woher weißt du das?" und ihm das Bild auf den Schreibtisch legte, war sein Grinsen wie weggewischt - er hatte nur einen Witz gemacht ... Erst mal war die ganze Agentur in Aufruhr und ich sehr erleichtert. Und am nächsten Tag hatte ich einen Stapel Babybücher auf dem Schreibtisch liegen. Im Februar kam mein Sohn zur Welt.
Stiefkindadoption: An dem Tag fühlte sich der Morgen etwas wärmer an ...
Am 23. Oktober 2008 kam unsere Tochter gesund auf die Welt. Sie ist die biologische Tochter meiner Lebenspartnerin und meines schwulen Freundes. Ihr Vater hat sie nach der Geburt, wie mit uns abgesprochen, zur Adoption freigegeben, nachdem er die Vaterschaft anerkannt hatte. Dies ermöglichte mir, einen Adoptionsantrag zu stellen und seit dem 22.12.2009 wurde diese Annahme unserer Tochter als mein Kind offiziell vom Amtsgericht München ausgesprochen. An dem Tag, an dem dieses Schreiben in unserem Briefkasten lag, fühlte sich der Morgen etwas wärmer an, als im Dezember üblich. Diese Wärme ist bis heute geblieben, und ich bin sehr froh, dass ich mich zu dieser Adoption entschieden habe. Warum, möchte ich hier kurz schildern. Während der Adoptionsantrag lief, musste ich unter anderem schriftlich festhalten, woher ich als "Annehmende" die Motivation zu dieser Adoption genommen habe, die Entwicklung der Beziehung zu unserem Kind schildern und das Verhältnis zum leiblichen Elternteil beschreiben. Am Schluss meines Berichts stehen folgende Sätze: "Ich bin überglücklich, dass sie lebt und gesund ist und sehr dankbar, dass wir es geschafft haben, all den Mut zu finden, diesen Weg gemeinsam zu gehen. Ich wusste immer, dass ich dieses Kind lieben werde wie mein eigenes. Nun ist es vor meinen Augen auf die Welt gekommen, und ich sehe sie seitdem als meine Tochter an - nicht leiblich, aber auf jeden Fall seelisch." Dass ich aufgrund dieser Liebe das Bedürfnis hatte, unsere Tochter auch zu adoptieren, war nicht von Anfang an so. Im Gegenteil, nachdem wir erfahren hatten, dass meine Freundin schwanger war, überwog zunächst die Freude und Spannung, doch mit der Zeit kam eine große Unsicherheit bezüglich meiner zukünftigen Rolle hinzu: "Mutter", "Lebenspartnerin", "Co-Mutter" - ja, was denn eigentlich? Der Vater unserer Tochter ist ein sehr enger Freund, der zwar sehr weit weg lebt, von dem ich aber wusste, dass die Geburt einer eigenen Tochter auch für ihn etwas sehr Besonderes war. Wir hatten zwar im Vorfeld alles "besprochen" bezüglich der Adoption, aber als dann die Wirklichkeit unsere Träume kreuzte, wurde mir sehr mulmig. Ich wollte ihm nicht sein erstes und wahrscheinlich einziges Kind wegnehmen. Ich fühlte mich nicht berechtigt, so ein großes Geschenk anzunehmen. Meine Zweifel wurden mit Freunden und Verwandten kontrovers diskutiert, dabei überwogen jedoch immer die Stimmen, die mir das Recht und die Notwendigkeit, dieses Kind zu adoptieren, nahe legten. Am überzeugendsten waren jedoch die eher pragmatischen Worte unseres Notars, der meine Bedenken mit einer Frage beantwortete: "Wer hat sich denn dieses Kind als Paar ursprünglich gewünscht, und wer möchte es großziehen?" Mein Freund war immer bereit, das Kind wie besprochen zur Adoption freizugeben. Letztendlich gab dies wohl für mich den Ausschlag, meine Zweifel aufzugeben und anzunehmen, was ich mir doch so gewünscht hatte: Ein eigenes Kind, welches ich zusammen mit meiner Lebenspartnerin großziehen darf. Ihr Vater schrieb in einer E-Mail an mich: "Ich hab doch die biologische Verbindung zu ihr, die kann mir niemand nehmen, und du hast ein Recht darauf, auch etwas zu bekommen, was dir niemand nehmen kann." Heute ist unsere Maus 15 Monate. Sie sagt abwechselnd Dada, Mama, Papa und Ada zu mir. Egal wie sie mich nennt, sie gehört zu mir. Und das fühlt sich sehr gut an.