Wege zum Kind
Wege, die zum Ziel führen, sind unterschiedlich
Wie gründen lesbische Frauen ihre Regenbogenfamilien? Da gibt es den Weg über ein leibliches Kind per Samenspende oder aber über Adoption oder Pflegschaft.
Insemination
Als Insemination wird das direkte Einbringen von Samenzellen eines Spenders in die Vagina oder die Gebärmutter der Frau bezeichnet. Sie ist die gängigste Methode zur Befruchtung. Nicht selten geht ihr eine hormonelle Stimulation voraus.
Erfolgt die Übertragung nicht mit dem Samen eines Ehepartners, sondern mit Fremdsamen, spricht man von donogener oder heterologer Insemination. Diese Form der ärztlichen Behandlung wird in der Regel bei verheirateten oder unverheirateten heterosexuellen Paaren durchgeführt. Dennoch sollten sich Lesben mit Kinderwunsch davon nicht entmutigen lassen. Zahlreiche Praxen behandeln mittlerweile auch lesbische Paare. Manche Zentren behandeln Kinderwunschfrauen, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung und ihrem Familienstand voraussetzungslos, andere verlangen Notarverträge, mit denen sie sich gegen potentielle späteren Unterhaltsforderungen absichern, da die rechtliche Situation des Spender-Empfänger-Verhältnisses in Deutschland leider noch nicht zufriedenstellend geklärt ist. Daher sollte man die Praxen direkt ansprechen oder anschreiben, ob sie auch lesbische Frauen willkommen heißen. Die Kosten für Kinderwunschbehandlungen müssen derzeit von lesbischen Frauen privat getragen werden. Manche Ärzte sind auch damit einverstanden, dass eine lesbische Frau ihren privaten Spender in die Praxis mitbringt - die Insemination wird dann so durchgeführt und abgerechnet wie bei einem heterosexuellen unverheirateten Paar.
Deutsche Ärzte/Ärztinnen oder Reproduktionspraxen, die lesbische Paare oder Singlefrauen behandeln, arbeiten in der Regel mit ausländischen Samenbanken zusammen. Jede Samenbank geht unterschiedlich mit der Vergabe von Samen um. Manche stellen eine Auswahl an Samenprofilen zur Verfügung, andere ordnen selbst den Spender den zu behandelnden Frauen zu, die in einem Anmeldeprofil Angaben zu sich und ihrer Person machen können, wenn sie möchten. Ausländische Kliniken (zum Beispiel in Dänemark oder Großbritannien) gehen mit lesbischen Paaren und mit Singlefrauen weitaus selbstverständlicher um. Sie arbeiten mit eigenen Samenbanken oder aber mit den bekannten dänischen Samenbanken Cryos International und European Sperm Bank zusammen. Es stehen sowohl komplett anonyme Spender zur Verfügung als auch solche Spender, deren Kontaktdaten an das Kind herausgegeben werden können, sobald dieses volljährig ist (identity release). Von den zwölf Samenbanken in Deutschland waren Ende 2013 sieben für lesbische Paare offen, einige auch für Singlefrauen. Da sie nur sehr vereinzelt für diese Dienste werben, empfiehlt sich das persönliche Gespräch.
Bechermethode
Neben der Insemination über eine Reproduktionspraxis können lesbische Paare natürlich auch auf privatem Weg eine Samenübertragung mit Hilfe eines bekannten Spenders machen. Bei der so genannten Bechermethode wird der frische Samen des Spenders in einem Becher übergeben und dann via Einwegspritze (ohne Nadel!) eingeführt. Möglich ist sie aber genauso bei Verwendung von Samenbanksperma. Das Sperma kann von einem privaten Spender kommen, der unterschiedliche Rollen spielen kann im weiteren Leben des Kindes und der Familie, je nachdem wie sich beide Parteien einigen und dies auch leben. Die Bandbreite reicht von einem anonym bleibenden Spender, über einen, der vom Kind kontaktiert werden kann, bis hin zu einem aktiven Vater. Neben diesen Möglichkeiten kann das Sperma von Samenbanken im In- und Ausland verwendet werden. Führt man in Deutschland die Insemination durch, sind nur offene Spender zugelassen, d.h. die, die das Kind kontaktieren kann, wenn es volljährig ist.
IUI
Die intrauterine Insemination wird von einem Arzt, in der Regel einem Reproduktionsmediziner eines Kinderwunschzentrums durchgeführt. Hierbei wird das Sperma gereinigt und direkt in die Gebärmutter eingebracht.
Die Bechermethode sowie die IUI können sowohl im natürlichen Zyklus als auch hormonell unterstützt durchgeführt werden. Hierzu sind aber Fachärzte zu konsultieren.
Stiefkindadoption
Seit dem 1. Januar 2005 ist es möglich, die leiblichen Kinder der eingetragenen Lebenspartnerin oder des Lebenspartners bzw. der Ehefrau / des Ehemanns zu adoptieren. Seit 2014 gilt dies auch für adoptierte Kinder (Sukzessivadoption). Durch die Stiefkindadoption werden erstmals in Deutschland zwei Mütter oder zwei Väter rechtlich als Elternpaar anerkannt. Voraussetzung für die Adoption ist, dass sie dem Kindeswohl dient und dass ihr der andere, leibliche Elternteil (soweit vorhanden) zustimmt. Denn mit der Adoption erhält die neue Mutter oder der neue Vater rechtlich die gleiche Stellung wie ein leiblicher Elternteil. Die "Verwandtschaftsbeziehung" zum ursprünglichen leiblichen Elternteil (z. B. Samenspender) wird dagegen vollständig aufgehoben, so dass auch keine Unterhalts- oder Erbansprüche bestehen. Eine Adoption ist mit allen sich ergebenden Konsequenzen endgültig. Der Weg zu einer Stiefkindadoption kann dabei durchaus lang und steinig sein. In der Regel dauert das Prozedere, bei dem es keinen Unterschied zwischen homo- und heterosexuellen Paaren geben soll, zwischen einem halben und zwei Jahren. Die Stiefkindadoption muss beim Vormundschaftsgericht beantragt werden. Die eingetragene Lebenspartnerschaft bzw. die Ehe sollte mindestens ein Jahr lang bestehen. Der Antrag muss von einer Notarin oder einem Notar beurkundet werden. Einige Notar/innen bieten an, den Antrag anhand der Angaben durch die Mütter zu verfassen, und übersenden ihn nach Unterzeichnung an das Vormundschaftsgericht. Darüber hinaus wird das Jugendamt in den Adoptionsprozess miteinbezogen. Es wird vom Vormundschaftsgericht beauftragt, zu prüfen, ob die beabsichtigte Adoption dem Wohle des Kindes dient und zu erwarten ist, dass zwischen dem Annehmenden und dem Kind ein Eltern-Kind-Verhältnis entsteht / entstanden ist.
Um dies festzustellen, überprüft das Jugendamt die Familie. Dabei wird zum einen die Beziehung zwischen Kind und Neuelternteil untersucht, zum anderen werden auch die gesundheitlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der künftigen Mutter oder des künftigen Vaters unter die Lupe genommen. Das Jugendamt fertigt einen Sozialbericht an und muss die Ergebnisse seiner Überprüfung den Betroffenen mitteilen. Es empfiehlt sich daher, schon vor der Antragstellung beim Vormundschaftsgericht Kontakt zum Jugendamt aufzunehmen. Das Verfahren variiert von Jugendamt zu Jugendamt. In München ist es beispielsweise Standard, von der Annehmenden einen so genannten Lebensbericht anzufordern, bevor die Gespräche geführt und der Hausbesuch gemacht werden. Dem Adoptionsantrag müssen alle Beteiligten zustimmen und dies notariell beurkunden lassen, ab dem 14. Lebensjahr auch das Kind selbst. Zuvor muss an seiner Stelle der gesetzliche Vertreter diese Einwilligung geben. Die Zustimmung der leiblichen Mutter kann frühestens erteilt werden, wenn das Kind acht Wochen alt ist. Je nachdem, ob der gesetzliche beziehungsweise biologische Vater bekannt ist, muss auch dieser zustimmen. Dies kann er auch schon vor der Geburt! Wenn die Mutter den biologischen Vater nicht mitteilen kann oder will, muss sich das Gericht von Amts wegen selbst um eine Sachverhaltsaufklärung bemühen. Falls dies ohne Erfolg bleibt, ist die Annahme auch ohne Einwilligung des Vaters zulässig. Dies geht zumindest aus einem Urteil des Landgerichts Freiburg aus dem Jahr 2002 hervor. Wird das Kind durch Insemination über eine Samenbank in eine homosexuelle Beziehung hineingeboren, ist das Prozedere das Gleiche. Die Zustimmung des "Vaters" entfällt.
Erfahrungsgemäß wird manchmal der Antrag vom Amtsgericht erst einmal liegen gelassen, besonders wenn es sich um ein sehr kleines Kind handelt. Diese Zeit wird Adoptionspflegezeit genannt und kann unter Umständen einige Monate dauern. Es soll sich erst einmal eine Beziehung zwischen Annehmender und Kind entwickeln - dabei ist es für das Gericht nicht erheblich, ob es sich um ein geplantes Wunschkind handelt und deshalb diese Zeit eigentlich unlogisch ist. Die Richter halten sich streng an die Vorgaben aus der heterosexuellen Stiefkindadoption. Wenn der Sozialbericht positiv ausfällt, dann dürfte es in der Regel keine Probleme geben.
Adoption
Verheirateten Paaren steht die Möglichkeit offen, gemeinschaftlich ein Kind anzunehmen. Seit der Öffnung der Ehe 2017 gilt dies auch für gleichgeschlechtliche Paare. Mit der Adoption entsteht rechtlich ein Eltern-Kind-Verhältnis, in dem das adoptierte Kind zur Familie gehört wie ein ehelich geborenes. Die verwandtschaftlichen Beziehungen zu seinen leiblichen Verwandten erlöschen dann. Adoptionsbewerber müssen einen Antrag bei dem zuständigen Vormundschaftsgericht stellen. Um zu gewährleisten, dass die Adoption zum Wohle des Kindes geschieht, obliegt Adoptionsvermittlungsstellen wie dem Jugendamt, dem Diakonischen Werk, der Caritas oder der Arbeiterwohlfahrt eine sachdienliche Überprüfung aller Beteiligten. Werden keine Einwände erhoben, sollte das Kind in der Regel vor dem endgültigen Entscheid erst einmal zur Pflege in seiner künftigen Familie leben. Neben Ehepaaren können auch Einzelpersonen ein Kind adoptieren: "Wer nicht verheiratet ist, kann ein Kind nur allein annehmen." (BGB Paragraph 1741 (2) Satz 1).
In Deutschland werden Lesben und Schwule, die einen Antrag auf Zulassung zur Adoption stellen, genauso wie Ehepaare und heterosexuelle Einzelpersonen dahingehend überprüft, ob sie unter Berücksichtigung der moralischen, sittlichen und finanziellen Voraussetzungen geeignet sind, ein Kind zu adoptieren. Es wird geprüft, ob sie den besonderen Anforderungen eines Adoptivkindes gewachsen sind.
In Deutschland stehen für ein zur Adoption freigegebenes Kleinkind durchschnittlich zehn anerkannte Adoptionsbewerber/innen zur Auswahl. Die Jugendämter und die abgebenden Eltern, die der Adoption zustimmen müssen, vermitteln die Kinder nach wie vor am liebsten in "traditionelle Familienformen". Dies hängt auch mit der rechtlichen Situation zusammen. Jugendämter sind wegen der Absicherung daran interessiert, dass Kinder zwei rechtliche Elternteile haben und nicht nur eines.
Um langen Wartelisten oder schlechten Erfolgsaussichten zu entgehen, wählen nicht nur homo-, sondern auch heterosexuelle Paare oftmals den Weg einer Auslandsadoption. Das positiv durchlaufene Verfahren in Deutschland ist Voraussetzung für eine Auslandsadoption, damit diese auch in Deutschland anerkannt wird. Das Jugendamt arbeitet mit 13 Vermittlungsstellen innerhalb Deutschlands zusammen, die gemäß Haager Abkommen mit verschiedenen Ländern Auslandsadoptionen durchführen. Nur sehr wenige Stellen sind bereit, ein Kind an ein gleichgeschlechtliches Paar zu vermitteln. In den meisten Ländern, in denen die Adoption für gleichgeschlechtliche Paare erlaubt ist, gibt es im Land selbst genug InteressentInnen.
Pflegschaft
In den vergangenen Jahren haben sich viele Pflegschaftsstellen der bundesdeutschen Jugendämter auch homosexuellen Paaren geöffnet. Diese Entwicklung mag mit dem dringenden Bedarf an Pflegefamilien in Zusammenhang stehen, sie ist jedoch für viele homosexuelle Paare und Einzelpersonen eine Möglichkeit, sich den Wunsch nach einem Leben mit Kind/Kindern zu erfüllen. Pflegekinder sind Kinder oder (in selteneren Fällen) Jugendliche, die in einer anderen Familie als ihrer Herkunftsfamilie leben. Aus unterschiedlichen Gründen können sie von ihren leiblichen Eltern nicht im eigenen Haushalt versorgt und betreut werden, da diese mit der Erziehung überfordert sind. Die leiblichen Eltern stellen daher einen Antrag auf "Hilfe zur Erziehung" des Kindes, oder ihnen wird auf Antrag des Jugendamtes aufgrund einer Gefährdung des Kindeswohls das Sorgerecht ganz oder teilweise entzogen. Ausgehend von den Bedürfnissen und Wünschen des Kindes, das ab einem gewissen Alter in die Entscheidung einbezogen wird, werden die Pflegepersonen ausgewählt.
Pflegepersonen können Ehepaare oder eheähnliche Lebensgemeinschaften mit oder ohne eigene Kinder sowie Einzelpersonen werden. Interessent/innen werden im Vorfeld vom Jugendamt oder einer vom Jugendamt beauftragten Organisation auf ihre Eignung hin überprüft. Neben Bewerbungsunterlagen wie einem ausführlichen Lebenslauf, einem ärztlichen Attest, dem Einkommensnachweis und polizeilichem Führungszeugnis werden in der Regel diverse Informations- und Beratungsgespräche geführt sowie der obligatorische Hausbesuch durchgeführt, um die persönliche Situation und die Motivation zu hinterfragen. Die inhaltliche Vorbereitung der potentiellen Pflegeeltern erfolgt dann im Rahmen von Einzelgesprächen mit der zuständigen Fachkraft des Jugendamtes.
Aufgrund der jeweils unterschiedlichen Situation gibt es verschiedene Formen der "Pflege in Familie", die nach Dauer und Zielstellung differenziert sind. Die Formen der Vollpflege sind dabei noch einmal unterteilt in zeitlich befristete und zeitlich unbefristete Vollpflege, außerdem gibt es die Kurzzeitpflege und die Bereitschaftspflege. Pflegeeltern übernehmen neben der Erziehungs- und Betreuungsverantwortung für das Pflegekind die Verpflichtung, mit dem Jugendamt in Form einer Hilfeplanung zusammenzuarbeiten. Oftmals besteht das Ziel eines Pflegeaufenthalts darin, dem Pflegekind kurz-, mittel- oder langfristig die Rückkehr in seine Ursprungsfamilie zu ermöglichen. Das bedeutet, dass in der Regel auch der Kontakt zu den leiblichen Eltern von Seiten der Pflegeeltern unterstützt werden muss. Als größte psychische und emotionale Belastung erleben Pflegeeltern häufig die Rückkehr des Pflegekindes in die Herkunftsfamilie, nachdem es teilweise jahrelang bei ihnen gelebt und Teil der Familie geworden ist. Pflegekinder können den eigenen Kinderwunsch daher nur bedingt erfüllen, da Pflegefamilien als "Familie auf Zeit" ausgelegt sind.
Homosexuelle Paare haben es trotz der positiven bundesdeutschen Entwicklungen tendenziell etwas schwerer, Pflegeeltern zu werden. Das hängt unter anderem mit dem Mitspracherecht der leiblichen Eltern bei der Auswahl der Pflegestelle zusammen. Aufgrund homophober Vorurteile bevorzugen manche leibliche Eltern heterosexuelle Paare oder alleinstehende heterosexuelle Frauen.
In München stehen die Chancen für lesbische oder schwule Paare, ein Pflegekind zu bekommen, allerdings gar nicht schlecht, denn es werden viele Pflegeeltern gebraucht. Je größer die Auswahl an Pflegeeltern, desto größer ist die Chance, für ein Pflegekind die passenden Eltern zu finden. Und die passenden Eltern können eben auch zwei Frauen oder zwei Männer sein.